Stadthallenschreiber Sven Söhnchen XVI | EXTRABREIT Weihnachtsblitztournee am 6. Dezember 2025

Komm, komm, komm, komm – komm nach Hagen…mach Dein Glück.

Bin bereits in Hagen, wo in der Thalia-Buchhandlung am Vormittag das aktuelle HagenBuch aus dem Ardenku-Verlag  vorgestellt wird. In einem der dort veröffentlichten Beiträge geht es um die acht Jahre des SEEGEFLÜSTERS am Hengsteysee und den dortigen 1000. Auftritt der ältesten Boygroup Deutschlands. Man könnte meinen, dass das Seegeflüster nur für dieses Jubiläumskonzert von EXTRABREIT gegründet wurde!

Wird noch mitgerechnet? Das wievielte Konzert findet am heutigen Abend im Wasserlosen Tal statt?

Knapp 1000 Fans folgen der über 40-jährigen Aufforderung ihrer musikalischen Lokalhelden und fanden sich zum ‚Familientreffen‘ in der heimischen Stadthalle ein.

Heutzutage tragen die kleinen Mädchen schon lange keine Nasenringe aus Phosphor mehr – was allerdings weniger am aktuell nicht gefragten Modetrend, sondern eher am zunehmenden Alter der früheren „kleinen Mädchen“ liegt. Die Fans sind mit dem Bühnenpersonal gemeinsam gealtert. Selbst das jüngste Mitglied der extrabreiten Tanzkapelle ist mittlerweile über 50 Jahre alt. Die Bandkollegen vom Bassisten Lars Larson sind durchaus schon fast eine Generation älter, und planen mittlerweile die jeweiligen 70. Geburtstage.

Das heimische EXTRABREIT-Konzert auf deren Weihnachts-Blitz-Tournee ist seit nunmehr 20 Jahren die adventliche Vorversion von der weihnachtlichen Zusammenkunft in der vor Nacht vor dem Heiligen Abend in der Hagener Innenstadt. Sozusagen ein extra breites, musikalisches „blau unter dem Baum“ in der grünen Hölle von Hometown.

Wiedersehensfreude herrscht vor Konzertbeginn beim angereisten Auditorium. Lachende Gesichter, herzliche Umarmungen und erste gemeinsame Bierrunden sieht man bereits bei der Garderobenabgabe, im Foyer und an den gut ausgestatteten Getränkeversorgungsstellen in der Halle.

Für mich beginnt der Konzertabend bereits um 18:00 Uhr an der Bar vom benachbarten Mercure-Hotel. Dort hatten sich die Fans verabredet, welche deutschlandweit anreisten und oftmals mehrere Konzerte der legendären WBTs (Weihnachtsblitztourneen) besuchen. Da gehört der Gig in Hometown ebenso auf den Fahrplan, wie der legendäre Abschluss am 30.12.jeden Jahres in der Hamburger Markthalle. Waren im vergangenen Jahr knapp 20 Leute dem Aufruf in den Social-Media-Kanälen gefolgt, waren es vor dem Konzert heute bestimmt 5x so viele Fans – ausgestattet mit purer Vorfreude, ein paar Bierchen und der Bandbreite von jahrzehntelangen Artikeln der Merchandise-Stände.

Während ich das langsame Treiben der Tresenkraft beobachte, gehe ich meine Erinnerungen mit den Breiten durch. Es ging los mit der Klassenfahrt im sechsten Schuljahr, als wir dachten, dass wir unsere Lehrer:innen mit „Hurra, hurra die Schule brennt“ verärgern oder provozieren könnten. Neben ein paar persönlichen Momenten mit den Herren Havaii, Kleinkrieg und Möller ist mir vor Allem der legendäre Abend im Emster AWO-Kulturhof in Erinnerung, an dem es musikalische Lesungen von Havaii/Kleinkrieg und Peter Behrens (mit seinem Schreibpartner Klaus Marschall) gab. Es war  vor allem beim Aftershowmeeting eine wunderbare Begegnung mit den Lokalhelden der Kindheit und dem schweigsamen und doch so unterhaltsamen (leider längst verstorbenen) Trommler von TRIO.

Ebenso legendär war auch das Treffen von Kai Havaii nach seiner HYPERION-Lesung mit Eddy Kante, der nach einem zeitgleichen Auftritt in Hagen noch für ein paar Wodka-Kirsch in den Kulturhof kam.

Am Mercure-Tresen unterhalte ich mich mit dem „Onk“ – dem Organisator des Vorglühens und einem der größten Fans der Band überhaupt. Seine Leidenschaft besteht seit 1981 und wurde untermauert von einem mittäglichen Dosenbier 1982 mit Hunter. Die Dose „Hansa“ hat das musikalische Leben vom jungen Onk geprägt – bis heute.

Die Mercure-Vorglüher gehen, nach einem gemeinsamen Gruppenfoto, die wenigen Meter zur Stadthalle. Dort deckt man sich mit Wertmarken ein und genießt das große Familientreffen im Advent. Es soll Menschen geben, die jährlich aus Italien für eine Nacht in ihre Heimatstadt jetten, um die Mannen um Kai Havaii live erleben zu können. Ich finde, dafür gibt es ausreichend gute Gründe. Freue mich auf etliche Begegnungen mit etlichen Menschen der rockwütigen Stadtgesellschaft.

Im Saal verteilt stehen einige Stehtische und auch ein paar Sitzgelegenheiten an Tischen stehen zur Verfügung. Nicht nur das Durchschnittsalter der Breiten liegt bei „60plus“!

Als die Herren Larson, Kleinkrieg, Möller, Havaii und Hönig die Bühne betreten, werden die Stühle zu Makulatur. Es folgen 115 Minuten pure Spielfreude und solider Rock ’n‘ Roll vom Bühnenpersonal. Eine geneigte Mischung aus den Klassikern und den jüngeren Hymnen, die das Duo Havaii/Kleinkrieg zuletzt 2020 für das Album „Auf Ex“ komponiert hat.

Havaii begrüßt, zum 25 Songs umfassenden Repertoire des Abends, die „Backpfeifengesichter am Tor zum Orient“.

Die Herren waren an diesem Abend augenscheinlich in bester Spiellaune und das Publikum in Hometown nicht minder textsicher und feierlaunig.

Wie viele Weihnachtsblitztourneen wird es von den extrabreiten Herren noch geben? Von alterstypischen Gebrechen war heuer auf der Bühne nichts zu bemerken – während man beim Tanz mit Ende 50 im Zuschauerraum doch auch mal die näherkommende Hüft- und/oder Knieoperation im Blick halten sollte. Andererseits: gibt es für die eigene Rock`n´Roll-Vita eine bessere Anekdote, als der Oberschenkelhalsbruch beim extrabreiten Moshpit?

Persönlich erwarte ich für das kommende Jahr neben dem Merch-Stand einen Infopunkt eines ortsansässigen Sanitätshauses.

Die 1000 Zuschauer:innen sorgten für eine wunderbar gefüllte Halle. Nicht ganz ausverkauft, aber angenehm gefüllt und mit ausreichend Platz, um auch mit vollen Händen, plastikbierbecherjonglierend, von den Versorgungsständen zum Stehplatz zu kommen.

Jede:r im Publikum kam auf seinen Genuss. Alle wurden belohnt. Um mich war es beispielsweise bei „Joachim muss härter werden“ geschehen – jener Hymne, die ich als 22jähriger mittags in der „Rose von Westfalen“ mitgröhlte, bevor ich trunken in den Reisebus stieg. Als Leiter einer Jugendfreizeit in der Toskana.

Schlussendlich können die Namen der extrabreiten Protagonisten auch egal sein. Joachim oder Karlheinz-Jürgen! Wenn die „Sirene von Wehringhausen“ zum Gesang bittet, stimmt das Volk mit ein. Ja, Junge…wir können so heiß sein!

Am Ende des höchstgeglückten Abends mit Heimatklängen gibt es noch was für die Seele: das Tourprogramm ist abgespielt. Das Publikum liegt sich, zwischen freude- und alkoholtrunken, in den Armen. Die phantastischen 5 bitten zu einer allerletzten, legendären Zugabe. Die kann es nicht in Berlin, Hannover oder München geben, sondern nur hier. Auch für 2026 gilt also: komm, komm, komm, komm nach Hagen!

Um 22:15 Uhr ist das extrabreite Jahresspektakel vorbei. Was nicht bedeutet, dass sich die Halle leert. Es sind noch ein paar Wertmarken zu vertrinken. Irgendwann steht Rolf Möller in unserer kleinen Fan-Runde. Glückselig laden wir ihn zum Bier. Die Rhythmusmaschine hat es sich verdient – für all die wilden Jahre.

Freue mich bereits auf Montag, wenn mir der Tankwart seine neue Maxisingle vorspielt!