Zum vereinbarten Dienstbeginn um 13:00 Uhr heißen mich Christian Albrecht und Michael Martin heute in der Stadthalle willkommen. Darf dort heuer das Team der Veranstaltungstechnik begleiten – oder zumindest beobachten. Seit jeher ist es sinnvoll, wenn ich von technischen Gerätschaften die Finger weg lasse. Mein Vater war versucht, mir die Notwendigkeiten von Reparaturen im Haushalt, an Fahrrädern und/oder privaten Autos zu vermitteln – er war diesbezüglich frühzeitig gescheitert.
Wenige Minuten vor meinem Dienstantritt fuhr der Techniktruck der Firma Welzel aus Bramsche vor den Bühneneingang der Halle. Die sechs Herren der Bühnenspezialisten benötigen zwei Stunden, um aus der leeren Bühne, die im Vorfeld nur mit einigen Podesten versehen und von 6 auf acht Meter verlängert wurde, eine konzertreife Location zu machen.
Auch bei diesem Gastspiel hat der Veranstalter das Sagen und die Planungshoheit. Während Christian im Büro weiterarbeitet, steht Michael den Rowdies (und mir) mit Rat und Tat zur Verfügung. Zeitgleich ist er verantwortlich für die hausinterne Überwachung von diversen gesetzlichen Vorgaben, wie zum Beispiel der Bühnensicherheit und der Freihaltung von Fluchtwegen. Im Backstagebereich wimmelt es von markierten Wegen und Abstellplätzen für all jene Kisten, in denen das Bühnenequipment angeliefert wird.
Im Backstagebereich gibt es auch ein „High Five“ – so heißt die Agentur, die bereits seit 11 Jahren an der Seite von Tom Gaebel die Tourneen managt. André Graute und sein Kompagnon Andreas richten sich in der Garderobe ein und sind damit die frühzeitige Vorhut der künstlerischen Mannschaft der Tour. Die Musiker trudeln ab 16:30 Uhr ein – zu diesem Zeitpunkt hat die Mannschaft von Welzel-Mitarbeiter Christopher Tebbe bereits nicht nur die Bühne eingerichtet, sondern auch einen Lichtcheck gemacht. Zur Freude aller Beteiligten kommt ein neuer Bühnen-Verfolger zum Einsatz – der auch der heimischen Halle gut zu Gesicht stehen würde. Was waren das noch für Vorzeiten, als in den großen Hallen der Republik vor dem Konzertbeginn Beleuchter über waghalsige Strickleitern in die bequemen Recaro-Sitze klettern mussten, die unter dem Hallendach angebracht wurden. Es ist seit Jahrzehnten nur noch eine Erinnerung…
Michael Martin und ich haben etwas Zeit für einen Plausch – auch wir kennen uns bereits seit Jahrzehnten. So, wie man sich halt in Hagen kennt, wenn man eine gemeinsame Vergangenheit in der Heimatstadt hat. Er hat den Job als Veranstaltungstechniker von der Pike auf gelernt, war in dem Bereich auch selbständig und kam vor drei Jahren neu in das Technik-Team der Stadthalle. Es war die Zeit des personellen Umbruchs in diesem Bereich. Auch die Kollegen Christian und Thiemo kamen zu dieser Zeit beruflich in die Stadthalle. Nach der Selbständigkeit im Veranstaltungsgeschäft kann Michael nunmehr die geregelten Arbeitszeiten im städtischen Unternehmen des HVG-Konzern sehr zu schätzen wissen. Er darf um 16:30 Uhr Feierabend machen – 15 Minuten vorher kam der Kollege Thiemo Seeland zur Spätschicht und Arbeitsübernahme.
Die Kollegen gehen kurz die Ist-Situation durch und der Frühschicht-Michael stellt dem Spätschicht-Thiemo die Gast-Crew vor. Zeitgleich läuft vom Mischpult in der Hallenmitte, FOH (front of house) genannt, ein erster Soundcheck aus der Konserve (sagt man sowas noch!?): „Come on, Baby. Let the good times roll.“ Was für ein geradezu hoffnungsvoller Titel in diesen unruhigen Zeiten.
Ab 16:30 h kommen die acht Musiker nach und nach in die Halle und richten ihren abendlichen Arbeitsplatz ein. Derweil reden die Techniker in ihrem Fachjargon: schnappe irgendwas von Jeannie und Jojo auf. Die Beiden bleiben mir erstmal unbekannt!
Aus der Arbeitsplatzeinrichtung entwickelt sich der Soundcheck, der mich glücklich stimmt, als auch die Winnetou-Melodie angedeutet wird. Glaube, mehr Kindheitserinnerung geht bei mir nicht.
Nachdem sich „his orchestra“ eingegroovt hat, kommt, fünfundvierzig Minuten später, Tom Gaebel hinzu. Er wirkt etwas müde und am Haupthaar derangiert. Vermute, dass er mit dem Shuttlebus nach Hagen gefahren wurde und im Wagen noch etwas genickert hat. Zumindest würde ich dann zumindest in vergleichbarer Art an meinem Arbeitsplatz erscheinen. Der Soundcheck macht den Gastgeber allerdings wieder fit.
Derweil lerne ich eine weitere Person kennen, die sich aktuell an der Bekanntheitssteigerung der Stadthalle Hagen, die sich ja mittlerweile offiziell Kongress- & Eventpark Stadthalle Hagen (KESH) nennt, kümmert. Erich Alshut ist Vorstandsmitglied vom Marketing Club Südwestfalen und plant eine feine Werbemaßnahme für die Stadthalle. Nach einem charmanten Austausch bin ich sehr gerne dazu bereit, die Kampagne zu unterstützen und spreche ihm schon einmal eine kleine Botschaft in sein Mobiltelefon. Mal schauen, wie wir noch einmal zueinander finden werden.
Kurz vor 19:00 Uhr treffe ich Thiemo wieder: es beginnt die Phase der letzten Vorbereitungen vor der Öffnung der Hallentür. Ein Gespräch des heutigen, internen Veranstaltungsleiters mit den Security-Leuten, den Sanitätern und André Graute. Dieser nimmt an der Abendkasse Platz und begrüßt sehr freundlich die 650 Gäste, die einem beschwingten Abend freudig entgegen sehen.
Bevor das Licht ausgeht, muss sich Thiemo doch noch um die korrekte Platzverteilung kümmern. Zwei Rollstuhlfahrer müssen vernünftig positioniert und etwaige Rollatoren gefahrhemmend verstaut werden. Thiemo erledigt diese kleine Aufgabe sehr routiniert und ausgesprochen freundlich – somit kann das Konzert pünktlich beginnen.
Wie es sich gehört, übernehmen die acht Musiker das erste Lied und überlassen ihrem Bandleader den Solistenauftritt zum Beginn des zweiten Stückes: Tom Gaebel betritt die Bühne – im Smoking (wie seine Musiker), lächelnd, tänzelnd, mit einem Weißweinglas in der Hand und mit frisch gerichtetem Haar.
„Let the good times roll!“ – der wohlige Klang von Gaebels Stimme verzückt das Publikum vom ersten Moment. Natürlich erinnert Gaebel an sein großes Vorbild Frank Sinatra, dem er gleich zum Konzertanfang ein ganzes Medley widmet. An Sinatra und seine Freunde vom weltberühmten RAT PACK erinnert auch das Bühnenbild mit dem Leuchtvorhang und dem eleganten TOM-GAEBEL-Schriftzug im Las-Vegas-Stil. Eine Hommage an das letzte Jahrhundert. Irgendwie wirkte die Welt da in einer besseren Feierlaune. Mit dem Kaempfert-Klassiker L.O.V.E., einem Posaunenpausenduett und dem Hinweis auf den Merchadisestand entlässt das Bandleader die beschwingten Zuschauer:innen zum Verschnaufen ins Foyer.
Apropos Bandleader: im zweiten Teil verneigt sich Tom Gaebel unter anderem vor dem Meister des „easy listening“ – Hans „James“ Last. Eine wohlige Verschmelzung der generationsübergreifenden Musiklegenden (wie es der gebürtige Gelsenkirchner Gaebel kokett, aber berechtigt, ausdrückt). Ansonsten ist die zweite Hälfte des Programms sehr cineastisch: es gibt Hinweise auf die Paten-Triologie, auf das Dschungelbuch und Gaebel vergleicht sich, zumindest sein Aussehen, mit Brad Pitt…! Bei der Zugabe liegt das Haupthaar wieder etwas wild – aus Reihe 10 in Block D erinnert der Mann, der aktuell sein zwanzigjähriges Bühnenjubiläum feiert mit der blonden Mähne zu diesem Zeitpunkt eher etwas an den jungen Klaus Kinski – nur sympathischer. Zumindest wurde das Publikum bestens unterhalten – und nicht beschimpft!
THAT´S LIFE.
Nach zwei Stunden und drei Zugaben ist das Konzert vorbei. Im Foyer schreibt Tom Gaebel noch fleißig Autogramme und steht für Fotos zur Verfügung. Zu diesem Zeitpunkt packen seine Musiker ihre persönlichen Bühnenutensilien ein und die Welzel-Crew startet den Abbau. Auch Thiemo hat jetzt noch gut zwei Stunden zu tun und das Inventar der Stadthalle einzuräumen. Morgen wird die Bühne, vom Bestuhlungsteam der Halle, auf sechs Meter zurückgebaut – bis dahin muss die Haustechnik aus dem Weg geräumt sein.
Während die Techniker mit Umsicht und Ruhe auf- und wegräumen, sind die Musiker bereits auf dem Heimweg nach Köln. Bereits morgen Abend steht der nächste Auftritt an – im rheinländischen Bergheim. Und die Stadthalle begrüßt übermorgen Udo Jürgens…oder zumindest die Show, die an den großen deutschsprachigen Entertainer erinnert.
Noch zur abschließenden (Auf-)Klärung, bei der mir später Thiemo behilflich war: bei Jeannie handelt es sich um eine Vorgängerlichtverfolgermodell und bei Jojo um das Auf- und Abfahren der Traversen. Zumindest der zweite Name erklärt sich – irgendwie!
Und noch eine Frage aus der ersten Konzerthälfte muss beantwortet werden. Tom Gaebel fragte klassisch nach Quando, Quando, Quando – wann sieht man sich wieder? Aller Voraussicht nach im Jahr 2026. Der Termin muss nur noch vom Management bestätigt werden.