Jeder Hagener kennt diesen Ort, das Wasserlose Tal, dort wo die Stadthalle Hagen steht. Aber woher kommt dieser ungewöhnliche Name? Und was hat das mit dem alten Steinbruch auf sich? Die Entstehungsgeschichte des Wasserlosen Tals beginnt im Erdzeitalter „Mitteldevon“, also vor 385 bis 380 Millionen Jahren. Unsere Autorin, die Diplom-Geologin Antje Selter (Geotouring , Hagen), erklärt Ihnen hier welche geologische Besonderheit das Wasserlose Tal entstehen ließ.
Das Hagener Massenkalkgebiet gehört zu den Kalkgebieten, die sich am Nordrand des heutigen rechtsrheinischen Schiefergebirges von Düsseldorf und Wuppertal über Iserlohn bis ins Hönnetal bei Balve und weiter bis Brilon und Warstein verfolgen lassen. Je nach dem Grad der Störung durch Auffaltung und Verwerfung (das heißt: Gesteinspakete sind gegen- oder übereinander verschoben) ist dieser meist ein bis zwei Kilometer breite Kalkzug stellenweise nur weniger als 100 m oder sogar nur wenige Meter breit.
Emster Hochfläche
In Hagen setzt sich der Massenkalkzug nach einer fast völligen Unterbrechung der Wuppertaler Kalksenke östlich Schwelm als Folge der Ennepe-Verwerfung erst im Volmetal wieder in großer Mächtigkeit fort. Von hier erstreckt er sich in etwa 2 km Breite zwischen den Linien Remberg-, Eppenhauser- und Hohenlimburger Straße im Norden und Delstern – Staplack – Holthausen im Süden bis ins Lennetal. Es ist das Gebiet der Emst-Hassleyer Hochfläche, einer für Kalkgebiete typischen Verebnungsfläche.
An ihren meist steil abfallenden Rändern sind mehrere ehemalige Steinbrüche (im Wasserlosen Tal, am Volmehang, an der Elmenhorststraße, an der Volmeburg) und das im Abbau befindliche große Dolomitvorkommen zwischen Donnerkuhle und Hölken, das den Rohstoff für eines der größten Dolomitwerke Europas in Hagen-Halden liefert(e), Zeugen der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Gesteins.
Klüfte und Höhlen
Eines der interessantesten und wohl auch bekanntesten Phänomene des Kalksteins ist seine eigentümliche Verwitterung. Da Kalk durch Säuren löslich ist, kann die im Regen- und Bodenwasser enthaltene Kohlensäure ihn chemisch angreifen. Das bedeutet: Kalk löst sich auf. Solche Lösungserscheinungen sind an allen Kalkfelsen zu sehen, deren Oberfläche genügend lange den Einwirkungen des Wassers ausgesetzt waren: Loch- , Waben- und Rinnenbildungen zeugen von der chemischen Verwitterung – so etwa an den steilen Felswänden des Weißensteins am Rande des Lennetals bei Holthausen.
Eine Eigenschaft des Kalksteins beeinflusst die Lösungsverwitterung sehr stark: seine Klüftigkeit (Trennflächen im Gestein). An den oft sehr weit verzweigt und tief hinab reichenden Klüften kann das Sicker- und Fließwasser die Auflösungstätigkeit fortsetzen und die Spalten zu Klüften und größeren Hohlräumen erweitern. Hinzu kommt stellenweise auch die mechanische Erosionswirkung (Abtragung von verwittertem Gestein) der unterirdischen Wasserläufe. Zahlreiche unserer bekannten Höhlen haben auf diese Weise ihre enormen Größenausmaße bekommen.
In diesen Klüften und Höhlen setzt sich der gelöste Kalk als Tropfstein ab: an den Decken und Wänden als Stalaktiten und Sinterfahnen, am Boden als Stalagmiten. Im Hagener Raum finden wir annährend zwei Dutzend zugängliche Höhlen mit zum Teil sehr eindrucksvollen Tropfsteinbildungen.
Kein Wasser an der Oberfläche
Die auffälligste Erscheinung im Kalkgebiet ist zweifellos das Fehlen von Oberflächenwasser. Es kann sich wegen der schon dargestellten Lösungsanfälligkeiten und Klüftigkeit des Gesteins nicht an der Oberfläche halten. So sind die von der Emster Hochfläche ins Volme- und Lennetal hinabführenden Täler „wasserlose Täler“, so genannte Trockentäler: außer dem bezeichnenderweise mit Eigennamen benannten „Wasserlosen Tal“ sind das Elmenhorsttal mit der unteren Berghangstraße, das Volmeburgtal, das Tal an der Donnerkuhle und viele anderen kleinen Tälchen und Geländeeinschnitte Trockentäler.
Über die Autorin: Die Diplom-Geologin Antje Selter ist Geschäftsführerin der Hagener Eventagentur GeoTouring, die sich auf Naturerlebnisse spezialisiert hat. Das breit gefächerte Angebot reicht von Exkursionen in Steinbrüche und Wanderungen zu Ausgrabungsstätten, über kulturelle Erkundungstouren, bis hin zu Geocaching. Weitere Infos und Buchungen unter: https://www.geotouring.de